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MINERVE // DE/VISION // CAMOUFLAGE // AND ONE – Sextron Tour 2011
live im Backstage zu München – 22. Oktober 2011

An diesem sonnigen Samstag – bis auf einen Tag genau ein Jahr nach meinem letzten AND ONE-Konzert in Düsseldorf – ging es schon gegen 17 Uhr ins Backstage, da bereits um 17.10 Uhr die Vorgruppe MINERVE erwartet wurde. Diese kam auch ganz gut rüber, der Sänger wirkte recht sympathisch auf der Bühne, die poppigen, ruhigen Synthesizerstücke waren eine gelungene Eröffnung. Wäre es dabei mal geblieben ...

Anschließend folgte mit DE/VISION die erste Hauptgruppe des Abends, die mir nach dem Amphi 2011 erneut sehr gut gefiel. Frontmann Steffen Keth muß man irgendwie mögen: professionell, sympathisch und mit seinen Bewegungen auch sehr ausdrucksstark auf der Bühne. Die 45 min umfaßten diverse Treffer wie „I Regret", „Try to forget" und meinen aktuellen Favoriten vom letzten Album – „Rage". Sehr solider, leider etwas kurzer Auftritt, mehr davon!

Als nächstes kam ein Klassiker, den ich aber leider noch nie live gesehen hatte: Die deutschen Synthi-Popper CAMOUFLAGE, unvergessen deren erstes Album „Voices & images" aus den 80ern. Sänger Marcus Meyn, immerhin Baujahr 1966, wirkte sowas von agil in seinen Tanzeinlagen, beherrschte zudem das Publikum mit seinen Gesten und seinem Gesang – großartig. Die anderen Mitglieder der Gruppe fand ich allerdings eher etwas zu albern oder auch zu „cool". Macht ja nix, Konzentration auf Marcus Meyn, der vor allem zum Ende hin mit den von mir so geliebten Klassikern wie „Love is a shield" [Lanze? :D], „That smiling face" und natürlich „The great commandment", dem Übertreffer der Combo, begeisterte. Vorm Schlußlied wurde mit „Shine" auch noch ein neues Stück des kommenden Album „Greyscale" intoniert – ein Lied mit einem gewissen Hymnencharakter.

Dann kam der vorgesehene Höhepunkt des Abends, AND ONE. Tja, eines kann ich vorweg nehmen: Obwohl AO seit deren Anfängen in meiner persönlichen Top3 residieren, gelang es nicht, mich mit diesem Auftritt besonders zu erwärmen. Immer, wenn dies ansatzweise der Fall war, bekam man wieder einen akustischen Schlag in die Fresse, sei es durch zu viel infantile Laberei oder auch einen Wechsel zu DEPECHE MODE- oder CURE-Liedern, denen ich dort einfach nichts abgewinnen kann. So oft schon hier und anderswo geschrieben: Es gibt so viele supergeile AO-Stücke, was will ich da mit DM oder anderen „Cover"-Stücken? Aber es kommt ja in spe noch schlimmer.

Aber von Anfang an: Auf der Bühne hing ein großer AND ONE-Schriftzug mit einem „Back home" [auch als T-Hemd zu erhalten] drunter. Aha – wenn man ständig überall darauf hinweisen muß, daß man nun wieder in der Zwischenbesetzung von Mitte der 90er Jahre live vorspielt und vorher laut Steve die beiden „Livemusiker" Gio und Chris eig. gar nichts beitrugen [was uns aber jahrelang auch von ihm vorgegaukelt wurde ... was aber eh jedem klar war, der ein wenig Plan hat], wieso hat man dann nun nicht die wahre Größe, es dabei zu belassen? War der Tritt von Gio und Chris mit ihrem PAKT-Projekt so schlimm, daß  Steves Ego derart angekratzt wurde, daß er sich ständig und überall rechtfertigen muß, auch für den Tourabbruch im Vorprogramm von UNHEILIG? Eine sehr vielsagende Erkenntnis, selbstbewußt ist anders. Steve Naghavi hat so viel Potential als Liedermacher, schade, daß er solche Spielchen nötig hat, anstatt die Randumstände nur müde zu belächeln.

Die erste halbe Stunde konnte man dann auch nahezu in die Tonne kloppen, die Titelauswahl war bis auf den Start mit „Techno man" sehr daneben, Balladen wie „Love you to the end" oder auch das kaum tanzbare „Love and fingers“ bringen keine Stimmung. Mit „Seven" vom aktuellen Langspieler ging es aufwärts, aber Joke an den Trommeln zeigte hier, wie auch oftmals danach, eindrucksvoll, daß er sein Handwerk so nie gelernt hat, war vor allem zum Beginn der Stücke oft total daneben. Die Highhats stören mich bei elektronischen Produktionen sowieso völlig. Steve schaffte es zudem nicht, für Stimmung zu sorgen, wirkte unsicher und rückfragend, wenig souverän. Da muß es auch niemand verwundern, daß sich kaum jemand bewegte oder groß jubelte. Selten sah ich ein so stilles Publikum bei AO-Konzerten.

Dieses ging dann mit Joke als Sänger und seinem Stück „High" erst richtig los, so daß sich auch dieser danach mit einem „Siehste! So geht das!" am Steve wandte. Damit hatte er ins Schwarze getroffen. Aber es gab Hoffnung – wohl angesteckt von Joke, gab nun auch Steve mehr Gas mit „Traumfrau“, „Electrocution“, „Deutschmaschine“ in der Maxiversion und „Schwarz“. Nach dem wie üblich emotional völlig zerstörten und verpoppten „Für“ kam dann [der wahre] „Zerstörer“ von der Vorabmaxi des neuen Albums „Tanzomat“ – leider blieb das großartige „Sex drive“ auf der Strecke. Auch zwei ganz neue Stücke wurden gespielt – „Memory“ und „Wounds“ – allerdings überzeugten mich beide ad hoc noch nicht.

Generell begrüße ich, daß vor allem der neue Livekeyboarder Nico Wieditz nun auch selbiges tut – Sequenzen live spielt – merkte man dem Konzert an. Rick Schah wird dies wohl auch tun, war aber nicht so gut einzusehen in der Mitte. Zu Joke und seinen Trommeln sagte ich ja schon oben was. Die E-Drums sind ja noch halbwegs gangbar [wenn sie im Takt ertönen], aber die akustischen Trommeln und die Highhats sollte man weglassen. AND ONE ist eine elektronische Gruppe und sollte es bleiben ... aber so oder so habe ich mich darüber gefreut, daß Joke wieder an Bord ist, auch wenn er die infantilen Anwandlungen von Steve teilweise mitmachte [ich frage mich ernsthaft, ob Steve meint, daß sein kindisches Getue toll ankommt? Wenn er z. B. wie ein klugscheißender Fünftklässler erklärt, daß der Plural von „Memory“ „Memories“ ist?] und das demonstrative, nach jeder Bühnenpause mit Kippe in der Hand wieder hochkommende Rauchen ähnlich wie Rick eher lassen sollte – in einer Nichtraucherhalle. Schön in München! :)

Wieso Steve ausgerechnet nach „Metalhammer“ ankündigt, daß nun ein ganz altes Stück kommt, welches ja alle toll finden, es folgte „Recover you“, bleibt sein Geheimnis, ist dieses doch weit weniger alt als das davor gespielte – oder meinte er womöglich, daß diese verkorkste Neuabmischung von „Metalhammer“ jünger ist? Zudem ist „Recover you" für mich eines der glattgelecktesten, ödesten Lieder der „Spot“, auf der ganz andere Perlen warten.

Als erste Zugaben wurde „Timekiller“ von PP [allerdings hier original auf deren MCD vorhanden] feilgeboten, das omnipotenten „Military fashion show“ und „Bodynerv“.

Das Grauen potenzierte sich in der letzten halben Stunde. Nachdem zweimal in einem Lied zu einem DEPECHE MODE-Stück umgeschaltet wurde, u. a. bei „Wasted“, kündigte Steve vollmundig das an, was man leider schon im Netz las: eine kommende Tour mit 50 % DM-Coverstücken und nur 50 % AND ONE. Egal, wie man das rechtfertigt [eine Nahtoderfahrung nach einem Konzert zuletzt wurde hier benannt], es bleibt Schmus. Wenn ich auf ein Konzert einer Gruppe gehe, will ich DEREN Songs hören, für Coverstücke kann man sich [hier in Aachen z. B.] die WHEELS reinziehen, aber doch nicht AND ONE. Einfach nur lächerlich, daß er sich immer mehr mit fremden Federn schmückt, obwohl er vorher schon ein Hahn war. Zumal er vor allem gesanglich kaum wie Dave Gahan klingt. Dies bewies er dann auch eindrucksvoll mit dem letzten Stück – nach gefühlten 20 min Laberrhabarber – „Enjoy the silence“, na super. Da ist man wenigstens froh, daß es nun vorbei ist und man zur Quasiaftershowparty ins Nox wechseln konnte, auf der sich wenig später auch einige Gruppenmitglieder präsentierten – wenn auch meist nur in einer stillen Ecke.
Anders der Sänger von MINERVE, dem der „Erfolg“ wohl inklusive dem konsumierten Alkohol zu Kopf gestiegen war, was ihn u. a. dazu veranlaßte, gegen diverse Gäste zu laufen und dann beim Bestellen die halbe Theke abzuräumen. Meine Hose freute sich immens über die Befleckung, unfaßbar. Später schlief er wohl den Schlaf des [Un-]Gerechten. Schade, daß somit der positive Eindruck vom Konzert sehr geschmälert wurde.

Was bleibt hängen? Steve ist immer noch nicht Dave [ich persönlich mag die Musik von AO noch einen Deut lieber als DM, was soll das Gewese?], aber will es nächstes Jahr zumindest zu 50 % versuchen, dies zu ändern – was zum Scheitern verurteilt ist. In meinen Augen kann er so viele Coverstücke von denen anfertigen, wie er will, aber ich finde es ein Unding, daß man somit die Stücke des neuen Albums NUR live erleben kann, wenn man diese 50 % DM mitnimmt. Ohne mich! Sehr, sehr schade! Aber es gibt ja noch das Amphi 2012, wo uns das in dem Maße hoffentlich erspart bleibt ... die Hoffnung stirbt zuletzt! Ach ja, das lauthals verkündete, ausverkaufte Backstage war keines ... bei weitem nicht. Aber klingt ja immer besser, wa? ;)

Sir Horn

PS: Mein Dank gilt Sixt, Sconan und Jan W.

Liederliste CAMOUFLAGE [die von AO folgt, sobald ich sie habe]:
Suspicious love
 Misery
 Neighbours
 I can't feel you
 We are lovers
 Dreaming
 Confusion
 That smiling face
 Me & you
 Love is a shield
 Shine
 The great commandment

(Gruppenverknüpfung: www.andone.de)



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